Ardbeg. Ein Blick zurück
Die an der Südküste Islays gelegene Ardbeg Distillery – so heißt sie erst seit 1959 – befand sich in einem desaströsen Zustand als der Gersten-Spirit – aus dem 2017 einmal ein Ardbeg Twenty Something werden sollte – in erneuerungsbedürftigen Brennblasen aus der damals in Schottland weitverbreiteten Sommergerste Chariot 1994 zweifach destilliert wurde.
Sie garantierte damals bereits bei erstklassigen Läuterbedingungen Erträge von rund 410 Liter Alkohol pro Tonne Malz.
Doch der gusseiserne von den New Mill Iron Works in Elgin stammende Läuterbottich, traditionell mit Rührrechen ausgestattet, hatte seine besten Zeiten hinter sich. Er wurde 1961 installiert. Probleme machten überdies die aus Holz aufgebauten Gärbehälter. Eigentlich waren es einmal sechs Fermenter (andere Quellen sprechen von acht), 1994 fehlte einer vollkommen und zwei leckten.
The Story of Making Ardbeg
Auf jeden Fall war es ein Destillat aus hundert Prozent gemälzter Gerste, das aus einer mit einer Brewer’s Yeast lange vergorenen Würze nach tradierten Rezepturen gebrannt wurde, die nicht von einer stringenten externen Qualitätskontrolle durch Gaschromatographen und Labor-Chemiker, sondern vom Gefühl, der Nase und persönlichen Erfahrung der Stillmen in seiner aromatischen und geschmacklichen Erscheinung bestimmt wurde.
Personen wie Don Raite, er war nach Hamish Scott (September 1964 bis Juli 1977) für wenige Jahre bis zur Schließung 1981 Ardbegs Manager, prägten das Aromaprofil. Dessen Assistent Duncan Logan arbeitet selbst als Brewer fünfunddreißig Jahre bei Ardbeg. Alex Woodrow – Rufname ‚Wardie’ – und Dougie McIntyre gehörten ebenfalls zum Team. „Wardie hatte immer einen guten dram im Schreibtisch, man konnte sich dort immer selbst bedienen, wenn er in einem Warehouse tätig war,“ erinnert sich Whisky-Sammler Alex Reid, „während der 1980er Jahre als die Distillery eigentlich geschlossen war, kümmerte er sich um die Lagerbestände.“
Aus dieser Zeit gibt es offiziell keine Whiskies. Duncan und Wardie sollten bei der späteren Wiederinbetriebnahme durch Glenmorangie plc im Februar 1997 ihre Erfahrungen in die Wiedergeburt des Ardbeg mitbestimmend einbringen. Allerdings waren wohl diese beiden nicht in erster Linie verantwortlich für das Aromaprofil des New Makes der 1994 durch den Spirit-Safe floss und die Grundlagen für den Ardbeg Twenty Something bildete. Der legendäre Manager und erfahrene Master Distiller von Laphroaig Iain Henderson hatte wohl die Destillation bei Ardbeg ebenfalls überwacht und beeinflusst, da er auch die Gesamtverantwortung für die Brennerei hatte.
The Old Days
Denn zeitgleich mit der Übernahme der Laphroaig Distillery im Jahre 1989 erfolgte auch der Erwerb der Ardbeg Distillery durch Allied Lyons plc. Alex Reid erinnert sich, dass in den folgenden Jahren sporadisch Mashmen und Stillmen der nahegelegenen Brennerei Laphroaig einen Spirit unter der Aufsicht von Iain Henderson lediglich zwei Monate im Jahr destillierten. Diese Phase endete mit der erneuten Stilllegung der Brennerei im Jahre 1996.
Rückblickend gesehen, ist jetzt der exklusiv nur für die Mitglieder des im Jahre 2000 gegründeten Ardbeg Committee nicht-kühlgefiltert abgefüllte 23 Jahre alte Ardbeg Single Malt daher ein sehr seltener und äußerst kostbarer Schatz aus den vergangenen dunklen Tagen der Brennerei. Dr. Bill Lumsden war es wohl gelungen, seltene Fässer aus der Produktionsperiode 1989 bis 1996 von Pernod-Ricard, den Nachfolgern von Allied Domeqc (davor Allied Lyons), nachträglich zu erwerben.
Der 46,3 % Vol. starke Islay Single Malt wird ab dem 2. November 2011 in einer limitierten Ausgabe nach einem einfältigen Muster im Ardbeg-Webshop (der Server wurde kürzlich leistungsoptimiert) angeboten: ‚Wer zuerst kommt, malt zuerst’. Interessenten müssen je Flasche die Summe von 480,- Euro bereithalten. Daher sind enorme Preissteigerungen des Ardbeg Twenty Something vorprogrammiert. Ein Losverfahren wäre wohl eine glücklichere Lösung.
Die Produktionsbedingungen der sichtbar leidenden Destillerie sollten sich erst mit dem Erwerb durch Glenmorangie plc im Februar 1997 zum Besseren wenden. Am Ende des Tunnels leuchtete ein Licht. Glenmorangie hatte Großes vor. Ardbeg blühte allmählich auf, erneuerte sich und strahlt heute von Islay in die Welt.
„Es gab keinerlei Diziplin, kein Programm für eine ausgewogene Destillation,“ staunte Dr. Bill Lumsden von Glenmorangie bei seinem ersten Rundgang durch die morbide Brennerei, „..die Cut Points waren überall. Wir wollten den alten klassischen Ardbeg-Stil wiederentdecken, einige übriggebliebene Probenflaschen des frischen Gerstendestillats halfen uns dabei.“
Was war geschehen? Ein Rückblick
Die Vorbesitzer Hiram Walker und die Distiller’s Company kümmerten sich kaum um die Pflege und den Erhalt der kleinen Distillery, die ihre Whiskys vorzugsweise in Sherry-Bodega-Transport Butts und später vermehrt kostengünstig in amerikanischen Bourbon-Fässern ausbaute. Der rauchige Islay verschwand in Kilmalid, Glasgow und Leith in verschiedenen Scotch Blended Whiskies. Selbst als der kanadische Konzern Hiram Walker-Gooderham & Worts Ltd. (Hiram Walker & Sons Scotland Ltd.) 1976–77 alleiniger Besitzer wurde, änderte sich an dem bedrohlichen Lage kaum etwas. Zahlreiche Arbeitsplätze gingen durch die Übernahme verloren.
Die seit ihrer Gründung um 1794 (Legalisierung 1815) betriebenen Floor Maltings wurden aus Kostengründen 1980 geschlossen. Aus den Schloten der drei Kilns – Darren – sollte an Montagen kein Torfrauch mehr aufsteigen. Die Öfen blieben kalt. Die gemälzte Gerste mit rund 50ppm Phenolen und Kresolen wurde stattdessen von der nahegelegenen in Port Ellen 1974 gegründeten Industriemälzerei angeliefert. Die dortigen acht Boby-Drums produzierten das Malz zu günstigeren Preisen als die schichtarbeitenden Ardbeg-Mälzer mit ihren weitläufigen Tennen – Malting Floors. Nur wenige Monate später erkalteten die Brennblasen am 20. März 1981 wieder einmal. Der Verfall der Gebäude und Produktionsanlagen schritt zusehends fort. Alex Woodrow, Wardie genannt kümmert sich weiterhin um die Bestände, die in den Warehouse vor Ort reiften.
Historische Aufnahmen von Ardbeg siehe
Die beiden Pot Stills wurden 1989 von den neuen Besitzern Allied Lyons plc reaktiviert. Sie hatten ja zeitgleich Laphroaig erworben. Der ständige Besitzerwechsel und die langen Schließzeiten hinterließen ihre abträglichen Spuren. Zerfallendes Mauerwerk, rostende Leitungen, undichte Dächer macht Ardbeg zu einer Ghost-Distillery. Die Produktionsanlagen waren in einem schäbigen Zustand. Dringend notwendige Investitionen und Erhaltungsmaßnahmen wurden in der ehemals blühenden Destillerie mit einer Schule, einem Bowling Green und über sechzig Arbeitern lange nicht mehr durchgeführt. Ardbegs Whisky spielte in ihren Plänen keine Rolle.
Laphroaig hilft
1996 kam es daher wieder einmal zur Einstellung der nur zeitweise von Laphroaig aus betriebenen Produktion. Die Folge: Ardbeg Distillery zu verkaufen!
Für einen Spottpreis von nur 7,7 Millionen Pfund erwarb Glenmorangie plc im Februar 1997 die marode Anlage und den verbliebenen sehr lückenhaften Lagerbestand, die Jahrgänge 1981 bis 1989 fehlten vollständig. Eine beispielhafte Blütezeit beginnt, die sich noch einmal mit dem Engagement von Moet Hennessy nachhaltig intensiviert.
Es war Distillery Manager Ed Dodson von Glen Moray – die in Elgin liegende Brennerei gehörte damals zu Glenmorangie. Der erfahrene Whisky-Macher sollte mit wenigen Mitteln in kurzer Zeit mit Hilfe ehemaliger Stillmen und Mashmen die Anlage wieder betriebsfähig machen. So kamen beispielsweise die Holzdauben für die Erneuerung der undichten Washbacks von den Glenesk Maltings aus Angus, wo sich ehedem die 1985 geschlossene Hillside Distillery befand.
Essentielle Expertise war für Dodson in der Nachbarschaft vorhanden, denn dort lebte in einem Distillery Cottage der ehemalige Ardbeg Brewer Duncan Logan. Er wusste genau, wie die beiden annähernd gleich großen Brennblasen zu füllen waren. So konnte die Wash Still nicht durchgängig schnell gefüllt werden, weil sonst die Heiztemperatur schlagartige nach unten fiel und sich damit der Rohbrand zeitlich abträglich verzögerte. Eine ‚Balanced Distillation’ wäre unmöglich geworden.
Brewer Logan half mit seinen Erfahrungen. Seine früheren Kollegen Hamish Gillespie und Alexander Livingstone kamen zum Team. Neu war der junge Malcolm Rennie, der im Dezember 2005 den ersten Kilchoman Spirit verantwortete.
New Start
In der Nacht des 20. Juni 1997 sprudelten nach Jahren der Missachtung und des Verfalls wieder die Low Wines und ein New Make Spirit durch den Safe. Alex Woodrow wurde von Dodson als Stillman übernommen. Mittlerweile entzückt die aromatische und geschmackliche Performance des Destillats weltweit viele Ardbegians. Der New Make wurde neu geprägt und hat wohl nichts mehr mit dem Spirit der 1970er Jahre gemein, zumal kein eigenes Tennenmalz, andere Gerstensorten sowie Hefestämme mittlerweile verwendet werden. Die Cut Points der zweiten Destillationsstufe zwischen Vor‑, Mittel- und Nachlauf wurden in der Folge neu justiert und den heutigen qualitativen Anforderungen angepasst. Dr. Bill Lumsden: „Der untere Cut Point des Nachlaufs wurde von mir kürzlich nach unten bewegt, damit wir etwas mehr an rauchigen phenolischen Verbindungen erhalten.
Früher wie heutzutage genoss Ardbeg unter Whisky-Kennern einen Kultstatus. Es war der Islay Malt mit Renommee, der Rauchige mit dem gewissen Etwas. Weltweit 120 000 Ardbeg- Committee-Mitglieder lieben und verehren ihren Ardbeg Single Malt Whisky. Die ehemalige handwerklich kunstvoll genietete Brennblase der 1990er Jahre begrüßt sie am Eingang zum Festplatz, wenn die Besucher alljährlich im Juni am Ardbeg Day hymnisch den Islay Spirit am Geburtsort feiern. Einige Glückliche werden sich sicherlich an den Geburtsort ihres Ardbeg Twenty Something erinnern und das gute Stück liebevoll streicheln.
„Der Ardbeg Twenty Something ist ein Blick zurück auf Ardbegs turbulente Vergangenheit und bestätigt eindrucksvoll, dass diese Destillerie niemals verschwinden darf.“ Mickey Heads, Destillerie-Manager und Vorsitzender des Ardbeg Committees.
Mickey Heads begann seine Whisky-Laufbahn in der Nachbarbrennerei Laphroaig. Als junger Mann hatte er sich zusammen mit anderen Einheimischen für den Erhalt von Ardbeg in den 1980-er Jahren eingesetzt.
Wie schmeckt der 23-jährige Ardbeg aus dunkler Zeit?
Die Farbe des Dreiundzwanzigjährigen erscheint warm-golden funkelnd, ähnlich einem Apfelsaft im Glas.
In die Nase strömen allmählich zunächst Aromen von süßen hellen filigran erscheinenden Früchten, die von zart blumigen Düften begleitet werden, im Hintergrund drängen sich doch kräftige grasige Kräuteraromen auf. Der Ardbeg Twenty aus dunkler Zeit wirkt frisch und keinesfalls dumpf, wobei die heute typischen Zitrusanflüge der jüngeren Brüder fehlen, stattdessen dominieren Vanille und etwas Holz. Erst danach werden die angenehm runden phenolisch-aromatischen Alkohole präsent, der Rauch ist keinesfalls aufdringlich, sondern beruhigend und erfreulich angenehm zurückhaltend.
Auf der Zunge und im Mund ist die ölige fruchtige Süße, verstärkt durch trockene Früchte, einschmeichelnd. Der Rauchcharakter entbietet sich filigran, ja sanft und wohltuend. Phenole und Cresole sind keineswegs aufdringlich und vordergründig dominierend wie das bei Ardbegs jüngeren Geschöpfen oft der Fall ist. Der leichte Hauch von Rauch entfaltet sich erst allmählich und versteht sich als harmonischer Teamplayer in einem vielschichtigen Bündel von gleichberechtigten Aromen- und Geschmackseindrücken. Mild und geschmeidig erinnert das mittelang sich aufbauende Mundgefühl ein wenig an weißen Nougat oder einfache Milchschokolade, der dezent pfeffrige, adstringierende Wahrnehmungen vorausgehen.
Der Alte ist im Nasen- und Mundraum erstaunlich lange präsent, während im offenen Glas nach einiger Zeit die fruchtigen Aromen schwinden, geschmacklich ändert sich allerdings in der Wahrnehmung nichts. Die Zugabe von Wasser ist nicht zu empfehlen.
Fazit: Derjenige, der eine Rauchbombe, einen Aschenbecher oder strenge Noten eines Fahrradschlauchs sowie eindringlichen Schinkenrauch erwartet, wird enttäuscht. Dieser Ardbeg Single Malt ist ein dezentes, filigranes und leichtfüßiges, samtartig rauchiges Resultat eines magischen Prozesses, der sich während einer langen Reifung in Bourbon- und Oloroso-Fässern zutrug. Das Vatting ist ein harmonischer und dennoch überraschend komplexer Whisky, der eine entdeckende Aufmerksamkeit herausfordert und intensive Zuwendung verdient. Genießern bereitet der Ardbeg Twenty Something viel Freude.
Offizielle Verkostungsnotiz von Moet Hennessy
„Die Farbe: Altbronze. Der Geruch: süßer Holzrauch vermischt sich mit Vanillecreme, Sherrynoten, Aromen von brennenden Tannenzapfen und Schokolade. Am Gaumen setzt sich die reichhaltige Schokolade mit Vanilleschoten, getrocknete Früchte und etwas Fenchel fort. Der Nachhall ist lang und endet mit einem Hauch von Schärfe.“
Die Probe wurde von Tobias Russ, Moet Hennessy, kostenfrei bereitgestellt.
The Gateway to Distilleries bietet einen detailliert-fotografischen und informativen Rundgang durch die Ardbeg Distillery an. Doppelklick Foto.
Zum Autor
Ernie - Ernst J. Scheiner ist der Herausgeber des Portals The Gateway to Distilleries www.whisky-distilleries.net Er dokumentiert über 150 Destillerien fotografisch von innen und beschreibt detailliert die Produktion der Whiskies. Seit seinem Studium an der University of Edinburgh befasst er sich mit dem Thema Whisky und publiziert in Fachmagazinen wie Das Irland Journal, die Kleinbrennerei, Whisky Passion und The Highland Herold. Features und Stories erschienen in den Blogs whiskyexperts, whiskyfanblog und whiskyintelligence. Als Leiter der VHS Ingelheim führte, und nun als Whisk(e)y-Botschafter leitet er Destillations-Kollegs, Studienreisen und Whisky-Kultouren zu den Quellen des Whiskys.
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